Geschichte, Soziologie und Recht der Arbeitsmedizin

Die Arbeitsmedizin befand sich von Beginn an in einem besonderen Spannungsverhältnis zwischen den wirtschaftlichen Interessen der Betriebe und der Nationalökonomie einerseits und den Gesundheitsinteressen der ihnen anvertrauten Menschen. Fabrikärzte sahen sich als leitende Angestellte der Industrie; ihre Tätigkeit war stark selektions- und leistungsmedizinisch ausgerichtet. Gewerbeärzte betonten eher – hier ist Ludwig Teleky explizit hervorzuheben - die Unabhängigkeit von Gesundheitsinteressen gegenüber der Ökonomie. Hieraus erwächst die Frage, ob und inwieweit sich die Arbeitsmedizin als Vertreterin eines Menschenrechtes auf möglichst gesunde Arbeitsbedingungen versteht. Teleky forderte auch vom Betriebsarzt eine unabhängige und allein der Gesundheit und Menschenwürde der Arbeitenden verpflichtete Haltung - ein bis heute aktuelles Postulat. Die Kontroversen lassen sich anhand verschiedener Beispiele aufzeigen. Besonders deutlich wird dies in der Geschichte des Berufskrebs-Problems, in dem darin festzustellenden Hang zur erbbiologischen Diagnostik von Krankheiten und in den Vorstellungen einer „sozialen Betriebsgestaltung“, wie sie seitens der deutschen Arbeitsmedizin nach der Vertreibung Telekys 1938 - bis weit in die Nachkriegszeit hinein - gesehen wurde. Das Selbstverständnis der Arbeits- und Betriebsmedizin hat sich glücklicherweise gewandelt. Heute geht es darum, arbeitsmedizinische Expertise in die präventive Gestaltung der Arbeitswelt einzubringen und die dazu nötigen politischen und organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen.


Ausgewählte Veröffentlichungen:

  • "Aus den Anilindämpfen aber schleicht der Krebs ..." - Fragen an die Geschichte der Berufskrankheiten der Chemiearbeiter in Ludwigshafen. Geschichtswerkstatt St. Ingbert 1993 // Link zum Volltext
  • Buchpublikation (1994): Chemische Industrie und Krebs. Zur Soziologie des wissenschaftlichen und sozialen Umgangs mit arbeitsbedingten Krebserkrankungen in Deutschland. Bremerhaven: NW-Verlag 1994. // www.nw-verlag.de
  • Vortrag (2002) zur Geschichte des Anilinkrebses // Link zum Vortrag
  • Artikel (2002): Profession und Kooperation im Arbeitsschutz - Empirische Befunde zu Klein- und Mittelbetrieben // Volltext 
  • Vortrag (2002) zur Ethik im Arbeitsschutz // Text
  • Vortrag (2006): Die neue Rolle der Arbeitsmedizin in der Gefahrstoff-Verordnung: Weg weisend für alle Gefährdungen. // Link zum Artikel
  • Gutachten (2008) zum Zusammenhang zwischen dermaler Benzolbelastung und einer lymphatischen Krebserkrankung // Volltext
  • Artikel (2009) über den Einfluss der Tabakindustrie auf die Arbeitsmedizin // Artikel
  • Artikel (2009) über etische Probleme in Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin  // Artikel
  • Arbeitsmediziner auf der Seite der Tabakindustrie. In: Forum Rauchfrei (Hg.): Politik im Griff der Tabakindustrie. Berlin 2012, S. 63-69. 
  • Das Elend mit den Berufskrankheiten. Kritik der bestehenden Situation und Ansätze für einen Wandel. In: Soziale Sicherheit, Jg. 61, 2012, S. 382-391. // Volltext 
  • Besprechung einer Studie zur Geschichte der Arbeitsmedizin am Beispiel Ernst Wilhelm Baaders (2014) // Artikel
  • Der Arbeitsmediziner Franz Koelsch: Renzenion des Buches von Gine Elsner // Artikel
  • Jüdische Sozialhygieniker in Frankfurt am Main - Rezension eines Buches von Gine Elsner // Artikel
  • Dieselmotoremissionen - das Versagen der deutschen Arbeitsmedizin - Artikelfolge (zusammen mit Herbert Obenland) in "Gesundheit braucht Politik" // Artikel
  • Nachruf auf Prof. Rainer Müller (ASU 12/2019)
  • Risikoabwägungen und Ethik